Deutschland wird zahlen


AKZENT


Erpressungsmanöver überschuldeter EU-Staaten

Frankreich, seit 1975 nur Defizite erzielend, von Monat zu Monat tiefer in Überschuldung, Wirtschaftsschwäche und Staatsüberdruss versinkend, ist die gefährlichste Wunde am bereits mit Pestbeulen übersäten EU-Koloss. Einigermassen überraschend ist diesem Frankreich (zusammen mit Italien) von der EU-Kommission, dem höchsten EU-Gremium, ein weiterer, zweijähriger Aufschub eingeräumt worden zur Inangriffnahme seines im Leierkasten-Stil mit Vorschusslorbeeren bedachten «Massnahmen-Pakets», angeblich Herzstück der seit Jahren überfälligen Wirtschafts- und Staatsreform.

Es gibt gewiss auch in der EU Ökonomen, die aufgrund ihres Sachverstands genau wissen, dass solcher Reformaufschub die Krisenbewältigung in Frankreich bestenfalls gefährlich erschweren, möglicherweise aber auch verunmöglichen wird. Warum also dieser jeglicher wirtschaftlichen Vernunft widersprechende Aufschub?

Etwa darum, weil Frankreich mit den frivolen Erpressungsversuchen, wie sie derzeit von Athen ausgehen, etwas gar zu deutlich zu liebäugeln begonnen hat? Womit es der EU-Kommission zu Brüssel den grossen Schrecken in alle Glieder fahren liess …

«Kriegführung mit anderen Mitteln»

Griechenlands linke, an kommunistischem Gedankengut orientierte, skrupellos mit dreisten Forderungen, Lüge und Betrug operierende Regierung mausert sich zur Erpresserbande. Genau wissend, dass Griechenland den Eintritt in die Eurozone seinerzeit bloss mit skrupelloser Täuschung der Partnerländer durchzusetzen wusste, und ebenso genau wissend, dass Griechenland seinen inzwischen auf 325 Milliarden Euro angewachsenen Schuldenberg durch Abstottern innerhalb der nächsten zweihundert Jahre im Blick auf seine magere Leistungsbilanz nie und nimmer wird tilgen können. Griechenland ist – um mit Clausewitz zu sprechen – zur «Kriegführung mit andern Mitteln» übergegangen.

Dieses «andere Mittel» heisst «Erpressung». Erpressung mit angeblich bestehenden Reparations-Verpflichtungen Deutschlands – ganz zufällig in gleicher Höhe wie die offene Staatsschuld Griechenlands.

Rechtslage

Die Rechtslage zu dieser Forderung ist widersprüchlicher Natur. Solange Deutschland geteilt war, verschob es die Bearbeitung von Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg auf den Zeitpunkt der Wiedervereinigung – weil, wenn schon, ganz Deutschland, nicht bloss der Westen, zahlungspflichtig sein müsste. Die Wiedervereinigung sollte mit einem formellen «Friedensvertrag» besiegelt werden. Ob der damalige «Zwei-plus-Vier-Vertrag» als «Friedensvertrag» bewertet werden kann – dazu gehen die Meinungen auseinander. Je nach Ansprüchen, die aus der Interpretation abgeleitet werden können.

Deutschland stellt sich im Übrigen auf den Standpunkt, dass es für das zusammenwachsende Nachkriegs-Europa derart umfassende Aufbauleistung erbracht und finanziert habe, dass sämtliche allfällig ausgewiesenen Reparationsforderungen längst über-erfüllt seien. Ein aus Berliner Sicht zweifellos nachvollziehbarer Standpunkt. Nur wurde in keinem als Vertrag geltenden Papier festgeschrieben, dass solche Aufbau-Leistung Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg gegenstandslos machen würde.

Es regiert nicht das Recht. Es regieren Machtansprüche. Es regieren Drohungen und offene Erpressung. Dies scheint Teil des Polit-Alltags innerhalb der EU zu werden, die schweizerische Wolkenschieber noch immer als eine «Rechtsgemeinschaft» geachtet wissen wollen.

Dynamit

Solange Griechenland allein Reparationszahlungen einfordert, dürfte Deutschland kaum in seinen Grundfesten erschüttert werden. Sollte sich indessen auch die zutiefst im Schuldensumpf steckende linke Regierung Frankreichs auf die Seite der Griechen schlagen, dann wird die Lage in der EU explosiv.

Hat diese Befürchtung die EU-Potentaten zum überstürzten Beschluss verleitet, den Franzosen wider alle ökonomische Vernunft weiteren Rückzahlungs- und Reformaufschub einzuräumen?

Jean-Claude Junckers demonstrativer Kniefall vor Alexis Tsipras («ein Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone darf niemals Tatsache werden») lässt solche Vermutung wachsen. Es sei denn, Juncker zittert schon heute angesichts der weiteren Trümpfe in den Händen des skrupellos Erpressung ausübenden Marxisten Tsipras. Denn Tsipras hält – wenn nicht mehr Recht, vielmehr skrupellose Erpressung die Entscheidungen an der Spitze der EU zu dominieren beginnt – wahrhaftig noch gewichtige Trümpfe in Händen.

Tsipras Trümpfe

Mit der Drohung, Griechenland könnte sich von der Nato abwenden und einem Militärbündnis mit dem militärisch gefährlich wiedererstarkenden Russland Wladimir Putins den Vorzug geben, würde Tsipras Brüssel gewiss gehörig ins Zittern bringen. Doch er wird nicht zögern, diese Karte zu ziehen, wenn er Brüssel damit zu einer Schuldenentlastung seines Landes veranlassen kann.

Ebenso könnte er die Drohung ins «Spiel» bringen, die Grenze zur Türkei – eines der Haupteinfallstore nordafrikanischer Scheinflüchtlinge in den Schengen-Raum – für Nord- und andere Afrikaner durchlässig zu machen, Griechenland also als Durchgangsland für die illegale Masseneinwanderung nach Nordeuropa zur Verfügung zu stellen: Ein Albtraum, der allen Regierungen zumindest im nördlichen Teil der EU und auch jener der Schweiz Angst und Schrecken in die Knochen jagen dürfte.

Die EU, deren Mächtige viel zu lange die Augen vor den Folgen der tolerierten Schuldenlöcher verschlossen haben, geht offensichtlich stürmischen Zeiten entgegen. Deutschland dürfte wohl bluten müssen.

Die Schweiz müsste sich, wenn die Sicherheit ihrer Bevölkerung Bundesbern noch ein Anliegen ist, auf daraus resultierende Überraschungen lieber heute als erst morgen vorzubereiten beginnen.

Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch