Betreuung oder Ausplünderung?

Alzheimer: Für die Kesb ein Geschäftsmodell

Der «Fall Lander» bewegt das Baselbiet – und versetzt die Kesb in Erklärungs-Notstand. Der Fall begann ganz harmlos.


Peter Lander zeigte erste Anzeichen einer sich anbahnenden dementen Erkrankung. Seine Ehefrau konnte mit dieser Herausforderung nicht umgehen. Selbst depressiv veranlagt und unter der eingebildeten ständigen Bedrohung, selber krank zu werden, reiften Anfang 2014 Gedanken, sich all dem Befürchteten durch einen Altersheimeintritt zu entziehen, zum unumkehrbaren Entschluss.

Komplikationen mit zwei Liegenschaften im Besitz des Ehepaars Lander befürchtend und in Transaktionen mit Liegenschaften wenig erfahren, entschloss sich Peter Landers Tochter, Marianne Lander, die Kesb (Kindes- und Erwachsenenschutz-Behörde) Gelterkinden zu Rate zu ziehen.

Verständlicher, aber verhängnisvoller Entschluss

Ein Entschluss, den sie nur allzu bald zutiefst bereute. Denn die zur Beratung beigezogene «Behörde», die sich «Professionalität» auf die Fahne geschrieben hat, erwies sich als bemerkenswert wenig kompetent.

Sie setzte einen Beistand ein, der allerdings nie guten Kontakt zu Peter Lander fand. Während Peter Lander in seine kleine Liegenschaft als Alterswohnsitz umziehen, die grosse, bisher bewohnte Familien-Liegenschaft mit grossem Umschwung aber verkaufen wollte, wollte der Beistand seine Heimeinweisung erzwingen.

Dies war der Moment, in dem die Familie Lander nach einer anderen Lösung Ausschau hielt. Mit der Errichtung einer privatvorsorglichen Vollmacht, notariell beglaubigt und öffentlich beurkundet, sowie einer positiv ausgefallenen Abklärung der Urteilsfähigkeit von Peter Lander durch die Memory-Klinik in Basel, schien ein Weg gefunden.

Doch was Vater und Tochter Lander seither erleben, könnte einem Roman Franz Kafkas entstammen.

Marianne Lander hat der «Schweizerzeit» Auskunft erteilt.

Die Urteilsfähigkeit

Marianne Lander: «Die Kesb Gelterkinden sprach meinem Vater die Urteils- und Handlungsfähigkeit mit der Behauptung ab, er sei von einer Alzheimer-Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium befallen. Als sich mein Vater dagegen wehrte, legte die Kesb Hand auf sein gesamtes Vermögen. Meinem Vater wurde buchstäblich der Geldhahn abgedreht. Wir haben von uns aus eine fachärztliche Untersuchung des Vaters veranlasst. Gutachter war Professor Andreas U. Monsch, Demenz-Spezialist am Universitätsspital Basel – eine anerkannte Kapazität. Professor Monsch attestierte meinem Vater funktionale Urteilsfähigkeit im Hinblick auf das Aufsetzen des privatrechtlichen Vorsorgeauftrages. Der Befund wurde gegenüber der Kesb ausdrücklich bestätigt.

«Schweizerzeit»: Wie reagierte die Kesb auf die von einem kompetenten Facharzt anerkannte Urteilsfähigkeit Ihres Vaters Peter Lander?

«Sie reagierte überhaupt nicht. Als wir insistierten, bezeichnete sie das erstellte Gutachten als parteiisch. Es müssten weitere Abklärungen ge-troffen werden. Wir erhielten aber nie etwas Schriftliches. Zu den zahlreich geführten Gesprächen und Kontakten mit der Kesb Gelterkinden bekamen wir keine Protokolle. Das hat offenbar System. Wir sind dieser Kesb ohnmächtig ausgeliefert.»

Betreuungs-Allüren

Die Kesb gibt vor, nicht urteilsfähige Personen «professionell» zu betreuen. Wie wurde Ihr Vater betreut?

«Die Kesb Gelterkinden ernannte einen ersten Beistand. Dieser versah sein Amt demonstrativ lustlos: Er liess uns gegenüber schriftlich verlauten, er sei seit Kurzem pensioniert und hätte eigentlich Gescheiteres zu tun als ‹einem Alzheimer nachzulaufen›.»

Mit solcherart bewiesener ‹Professionalität› hat die Kesb also Hand auf das Vermögen Ihres Vaters gelegt?

«Sie schob zur Begründung der angeblichen Handlungsunfähigkeit meines Vaters nach, man habe bei der Durchsicht seiner Steuerakten festgestellt, dass einmal die Rückforderung der Verrechnungssteuer vergessen wurde. Deshalb sei ‹professionelle Verbeiständung› unverzichtbar. Dass diesem ‹professionellen Beistand› Falschbuchungen (z. B. AHV-Verwechslung von Vater und Mutter; aber auch unrechtmässige Verschiebung der Auszahlung der Lebensversicherung von Peter Lander auf ein ihm unzugängliches Konto) unterlaufen sind, verschwieg die Kesb ebenso wie die Tatsache, dass er einen zur Liegenschaft des Vaters gehörenden Schuldbrief unauffindbar verlegt hatte – was uns beim späteren Verkauf entsprechende Kosten verursachte.»

War das Unfähigkeit oder böser Wille?

«Das weiss ich nicht. Nach allem, was wir erlebt haben, schliesse ich aber vorsätzliche Motive nicht mehr aus. Die Kesb Gelterkinden hat uns Angehörige nie ordentlich orientiert. Wir tappen mehrheitlich im Dunkeln und vermuten, dass es der Kesb mehr um sich selbst geht als um den von ihr angeblich betreuten Fall.»

Beistands-Wechsel

Die Kesb sah schliesslich ein, dass der Peter Lander verordnete Beistand ungeeignet war. So ernannte sie – in rechtlich kaum haltbarem, superprovisorischem Verfahren – als neuen Beistand Dr. André Brunner aus Sissach, Anwalt und im Kanton Basel-Land auch als Strafrichter tätig.

In der Folge nahmen die Auseinandersetzungen von Vater und Tochter Lander mit der Kesb den Charakter eines Albtraums an. Beistand Dr. Brunner besuchte Peter Lander nämlich in sehr kurzen Intervallen, manchmal mehrmals pro Woche. Er deckte ihn mit Akten und daraus von ihm selbst abgeleiteten Belehrungen – oft in einschüchternden Ton – regelrecht ein. Die «Basler Zeitung» hat darüber am 27. Mai und 12. Juni 2015 ausführlich berichtet. Weil sich Peter Lander aber nicht gefügig zeigte und die ihm unterstellte, vom medizinischen Fachmann klar widerlegte Nicht-Handlungsfähigkeit weiterhin energisch bestritt, wurde er von seinem juristischen Beistand bald einmal regelrecht belästigt.

Marianne Lander gibt offen zu, dass es dabei zu harten Auseinandersetzungen gekommen ist. Auch sie selbst war betroffen, hatte sie sich doch, als der erste Beistand jedes Interesse an seiner Betreuungsaufgabe verloren hatte, seit Mai 2014 besonders um ihren Vater gekümmert. Sie kritisiert energisch, wie ihr Vater unter Druck gesetzt wurde. Aber auch, dass sich trotz eingereichten Beschwerden keine der Kesb vorgesetzten Instanzen bemüssigt fühlte einzugreifen.

«Vermögensabfluss»

«Schweizerzeit»: Wie sind Sie weiter vorgegangen?

«Ich versuchte, meinem Vater so gut es eben ging beizustehen, ihn zu beruhigen. Das Verhalten des zweiten Beistands meines Vaters liess aber auch mich selbst beinahe die Fassung verlieren.

Für seine sehr häufigen Besuche bei meinem Vater bezog – und bezieht noch heute – Beistand Brunner aus dem Vermögen meines Vaters für jede Stunde 150 Franken. Diese Bezüge läppern sich gewaltig zusammen. In einem Monat fliessen so vom Konto meines Vaters schätzungsweise bis zu 6000 Franken ab. Und dann kommt dieser Beistand mit der Behauptung, die fehlende Urteilsfähigkeit meines Vaters lasse sich auch damit begründen, dass sein Vermögen überdurchschnittlich hohem Geldabfluss unterworfen sei: Geldabfluss, den die Kesb mit ihrer Weigerung der Anerkennung des installierten privatrechtlichen Vorsorgeauftrags und der daraus erwachsenen juristischen Auseinandersetzung selbst verursachte.»

Die «Basler Zeitung» hat Beistand Dr. Brunner auf die Höhe seiner Bezüge aus dem Vermögen des von ihm betreuten Peter Lander angesprochen. Brunners Antwort: Wenn er von einem Gericht zur kostenlosen Prozessführung für eine mittellose Person herangezogen werde, könne er der Staatskasse 200 Franken pro Stunde in Rechnung stellen. Seine Ansprüche seien damit begründet.

Rundflug als «Test»

«Schweizerzeit»: Traf dieser Beistand gegenüber Ihrem Vater auch aussergewöhnliche Anordnungen?

«Ja, stossende Anordnungen! Weil das medizinische Gutachten, das meinem Vater volle Handlungsfähigkeit attestiert, die Kesb sichtlich stört, lancierte Herr Brunner einen eigenen ‹Test› zwecks Beurteilung der Urteilsfähigkeit meines Vaters. Er drängte ihn dazu, mit ihm zusammen einen Rundflug mit einem Kleinflugzeug ab Flugplatz Langenthal zu unternehmen. Mein Vater hätte dabei seine Urteilsfähigkeit beweisen müssen, indem er sich rechtzeitig am richtigen Ort zum Transport nach Langenthal hätte einfinden müssen. Mein Vater verspürte allerdings nicht die geringste Lust, mit dem ihn oft bedrängenden Beistand einen Rundflug zu absolvieren.

Inzwischen sind wir – wir mussten, um die Interessen meines Vaters zu wahren, längst einen Anwalt beiziehen – gerichtlich gegen die Kesb vorgegangen: Wir wollen per Gerichtsentscheid erzwingen, dass die Kesb die Urteilsfähigkeit meines Vaters und somit die von ihm erstellte privatrechtliche Vollmacht endlich respektiert. Das Kantonsgericht verlangte für das Verfahren einen Vorschuss. Brunner, auf dem Vermögen meines Vaters hockend, verweigerte die Herausgabe der dafür erforderlichen Summe. Man fragt sich, was noch geschehen muss, bis vorgesetzte Stellen endlich gegen derart arrogante Willkür vorgehen, Willkür, die Mündel in die Verzweiflung treibt.»

Unerträgliche Machenschaften

Was Sie, Frau Lander, da erzählen, könnte die Vermutung aufkommen lassen, dass im «Fall Peter Lander» auch «legalisiert-kriminelle» Machenschaften im Spiel sind.

«Ich kann dazu nur sagen: Sie sind nicht der Einzige, der einen solchen Zusammenhang herstellt.»

Der Fall «Peter Lander» ist inzwischen durch zwei grosse Artikel in der «Basler Zeitung» der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht worden. Gibt es Reaktionen?

«Ja, viele Bekannte, aber auch politische Stellen melden sich jetzt. Da mein Vater und ich zusammen mit unserer Anwaltskanzlei momentan gerichtlich gegen die Kesb vorgehen, möchte ich diese Frage aber nicht genauer beantworten. Dennoch: Als schwer Betroffene dieser nicht mehr nachvollziehbaren Vorgänge erachte ich es als überfällig, dass sich die Politik endlich mit den bedenklichen Machenschaften der Kesb befasst.»



Der Kanton Basel-Land wäre gut beraten, das unglaubliche Verhalten von Kesb-Verantwortlichen auch aus rechtlicher Sicht überprüfen zu lassen. Vermögensentzug und Vermögensverbrauch zulasten einer Person, der die Kesb Handlungsunfähigkeit unterstellt, obwohl ihr solide medizinische Gutachten Handlungsfähigkeit attestieren, muss eine Untersuchung, allenfalls gar ein Strafverfahren auslösen.

Gefordert ist niemand anderer als Justizdirektor und Regierungspräsident Isaac Reber. Man vernimmt, er sei Schach-Kollege des im «Fall Lander» eingesetzten Beistands. Er müsste dafür sorgen, dass er nicht auch noch zum Schacher-Kollegen wird.

S.

Das Interview mit Marianne Lander führte Ulrich Schlüer. Benutzte Quellen: Zwei Artikel in der «Basler Zeitung», erschienen am 27. Mai und am 12. Juni 2015. Verfasser: Daniel Wahl.


Dr. Ulrich Schlüer - info@schluer.ch